5.20.2007

Zu viel des Guten

Heute muss ich früh raus. Der Wecker klingelt um 07.30 Uhr. Meine eingefahrene Gewohnheit, die ab 10.30 Uhr Bloglesen und Zeitungslesen beinhaltet, kann nicht eingehalten werden. Das ist anstrengend. Ich lasse mir Zeit im Bad, beim Frühstück und beim Email lesen (sind ja auch nur zwei Schrottmails). Trotzdem bin ich um 09.00 Uhr abfahrbereit. Warum auch nicht? Das Ballett beginnt zwar erst um 11.00 Uhr, aber ich kann, nun da ich so früh aufgestanden bin aus Versehen, endlich mal wieder im Roma frühstücken, zum zweiten Mal und das Übliche: Croissant und Milchkaffee.
Ein Parkplatz ist schnell gefunden, mein Lieblingstisch besetzt. Setze mich daneben. Wechsle den Platz, wegen der offenen Tür. Es zieht. Wechsel wieder den Platz. Es passt.
Wegen der Uhrzeit liegt das Handy auf dem Tisch. Es zieht sich. Ich habe wunderbar viel Zeit. Ist dann doch schnell vorbei. Ich mache mich auf den Weg zur Oper, treffe dort die Familie meines ehemaligen Schulkindes und schon beginnt sie, die Ballett-Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung mit dem Thema: Junge Talente stellen sich vor.
Einige Tänzer und Tänzerinnen absolvieren tagsüber ihren Ballettunterricht und besuchen danach die Abendschule, um ihr Abitur zu machen. Andere gehen ganz normal in die Schulen. Es beeindruckt, die tänzerische Entwicklung in den verschiedenen Altersklassen sehen zu können. Ich erahne die harte Ausbildung, für die man nicht nur einen gesunden Körper benötigt sondern auch einen Computer (=Kopf sagt Constanze Vernon), der am Ende der Ausbildung alle Programme drauf haben muss.

Klar dass mir die Abschlussklasse von Prof. Caroline Llorca am besten gefiel mit dem Solo aus WHO CARES?, Choreographie George Balanchine, Musik Georg Gershwin.
Katharina ist traurig, weil sie nicht weiß, ob sie weitertanzen wird.
Sie fährt mit ihrer Familie nach Hause, zum Mittagessen, das der Opa inzwischen gekocht hat; übrigens ein bayerischer Opa, der kochen kann. So etwas findet man nicht oft, stelle ich fest.

Gehe nun die Maximilianstraße runter, Richtung Fünf Höfe. Mich spricht ein Mann im Rollstuhl an. Ich wundere mich, dass ich stehen bleibe. Er habe Multiple_Sklerose. Es gäbe nur ein sehr teures Medikament - 1990 Euro so ungefähr, habe es vergessen - das diese Krankheit heilen könne. In Deutschland sei es nicht zugelassen. Er habe Pflegestufe drei gehabt und könne sich aufgrund dieses Medikamentes wieder bewegen, könne alleine essen und sprechen. Er bitte mich um Geld. Nein, er habe keine Homepage. Er sei Kosmopolit: In München Schwabing aufgewachsen, habe er im Max Gymnasium das Abitur gemacht. Er sei Archäologe. In seiner schweren Zeit habe er viel den Sokrates gelesen, den Sarkasten. Der habe ihm geholfen durch seinen Sarkasmus. Ein Schwarzer habe ihn nach N.Y. eingeladen und er habe zwei Jahre in Harlem bei ihm gewohnt. Es sei ihm nichts passiert in diesem gefährlichen Stadtteil. Er habe sogar zwei einander feindlich gesonnene Gruppen versöhnt und sei deswegen damals groß in der Zeitung gestanden. Er habe in Rom gelebt und in Griechenland. Leider hatte ich nicht viel Geld dabei und konnte ihm nur zwei Euro geben, was er sehr bedauerte.

Lese im Cafe der Hypo Kunsthalle bei einem Glas Prosecco die Welt am Sonntag. Bleibe bei einem Interview mit Lutz Helmig, geführt von Ernst August Ginten hängen und lese: Lutz Helmig hat der Verkauf seines Klinik-Unternehmens Helios 1,5 Milliarden Euro gebracht.
Mich beeindrucken einige Antworten: Auf die Frage, wann man reich sei antwortet er: Wenn man über den normalen Bedarf hinaus ein Vermögen ansparen kann. ..... Und Reichtum ist natürlich auch eine Frage der persönlichen Bedürfnisse. Sie dürfen ihr Geld nicht für Unsinn ausgeben, wie zum Beispiel eine eigene Jacht. Das ist - neben den Frauen - die größte Geldvernichtungsmaschine, weil sie bei einer Jacht jedes Jahr 20 Prozent des Anschaffungswertes verlieren. In Berlin gehe er nie ohne ein paar Euromünzen in der Tasche aus dem Haus. Er könne doch den Bettlern mehr geben, er sei doch reich, stellt Herr Ginten fest. Darauf Herr Helmig: Es gibt ein arabisches Märchen, da sagt der Bettler dem sehr reichen Mann: Du solltest mit mir teilen. Daraufhin sagt der Reiche. Geh schnell mit dem halben Dinar, wenn ich mit allen teile, bekommst du noch viel weniger.

Da ich nun schon mal neben der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung sitze, nütze ich die Gelegenheit und schaue mir die Ausstellung von Serge Poliakoff an.
Ein Musiker wurde zum Maler. Er rührte seine Farben selbst an und malte nicht mit Farben aus der Tube. Er flüchtete unter einem Bahnwagen. Was für ein mutiger Mann, auch in der Malerei. Jedesmal, wenn er ein Bild verkauft hatte, lud er seine Freunde zu einem grandiosen Essen ein., bei dem auch immer gesungen und getanzt wurde. Seine Enkelin ist wunderschön.