3.03.2007

Im Dorf

Heute habe ich meinen "Busen" im Gesicht und mein dunkelblaues Kinn durch unser Dorf getragen. Nachdem mich gestern in der U-Bahn auf dem Weg zum Zahnarzt keiner angewidert anschaute, habe ich mich das getraut. Und - o Wunder - die Menschen waren zu mir besonders freundlich, wirklich ganz besonders nett. Ich habe während der netten Kontakte ganz vergessen, wie scheußich ich ausschaute - und natürlich noch immer ausschaue.
Im Drogerieladen verwickelte mich allerdings eine mir bekannte frühere Verkäuferin aus dem Blumenladen in ein sehr aufmunterndes Gespräch.
V.: "Ich habe auch Plantate bekommen, allerdings im Oberkiefer. Da ist es ja viel schwieriger. Ich war drei Wochen so geschwollen, dass ich nicht arbeiten konnte. Jetzt habe ich immer noch Schmerzen. Es ist ja nicht so, wie alle immer sagen, dass man dann ein ganzes Leben lang Ruhe hat. Es ist wie mit echten Zähnen. Es bilden sich Taschen, es entstehen Entzündungen. Alle sieben Wochen muss ich zum Reinigen der Plantatzwischenräume in die Klinik. Nun wollen sie mir die Plantate wieder rausnehmen, weil ich immer Schmerzen habe. Sie müssen die Plantate rausoperieren. Dann wollen sie den Knochen wieder aufbauen. Dafür müssen sie Knochen aus meiner Hüfte entnehmen. Ich habe zu meinem Mann gesagt, dass ich das nicht machen lasse.Überhaupt, wenn mir jemand sagt, ich müsse operiert werden, dann würde ich das nicht sofort machen lassen. Ich würde erst mal drei Ärzte befragen und mich dann erst entscheiden. Jeder sagt ja gewöhnlich etwas anderes.
Ich wünsche ihnen gute Besserung
. "

Inzwischen hatte es draußen zu hageln aufgehört, und die trostspendende Bekannte beendete das Gespräch.

Mein nächstes Ziel war die Apotheke.
Apothekerin: "Annika. Sie hätten vorher Annika nehmen sollen, dann wären sie jetzt nicht so geschwollen."

Ich gebe stolz meine Schmerztabletten zurück, weil ich sie nicht genommen hatte und kaufe zwei Flaschen Desinfektionsmittel zum Spülen des Mundraumes. (Mundraum sagt man doch hochtrabend in solchen Fällen, oder?)

Vor der Apotheke wartete eine ältere Frau auf mich. Ich hatte ihr in der Apotheke ein Päckchen Papiertaschentücher geöffnet, weil sie keine Brille hatte, um das selbst zu tun.
Frau: "Noch mal vielen Dank. Wissen sie, ohne Brille kann ich nicht sehen, wo das Päckchen aufgeht. Ich trage mein Gebiss oben nicht, weil es mir wehtut."
Sie zeigt mir ihre gesamten Zähne. Es sind nicht mehr sehr viele.
Ich: "Da hat ihr Zahnarzt aber sicher etwas falsch gemacht."
Frau: "Vor fünf Jahren ist mein Freund gestorben. Da ging es mir dann sehr schlecht.
Wissen sie, ich bin Alkoholikerin. Ich trinke keinen Schnaps mehr, aber viel Bier, und ich esse wenig. Vor ein paar Tagen war ich krank. Ich konnte mir nichts mehr einkaufen, lag nur noch im Bett. Habe auch gar nicht bemerkt, dass zwei Polizisten in meinem Zimmer waren. Die Nachbarin hatte sie geholt, weil sie mich nicht mehr gehört hatte. Ich gehe jetzt meine Rente abholen. Auf Wiedersehen."

So ist das, wenn man aussieht wie ein Monster und durch das Dorf geht. Eine neue Erfahrung.

6 Comments:

Anonymous Anonym said...

läuft man als monster herum, erzählen einem die leute direkt ihr leben, das ist paktisch. das ist prima. (das mit den implantaten jetzt nicht so.)

5:55 AM  
Anonymous Anonym said...

Gute Besserung, das wird schon. ;-)

7:07 PM  
Anonymous Anonym said...

trotz allem ein spannender tag irgendwie. gute besserung!

10:28 PM  
Blogger saxana said...

Danke für die guten Wünsche. ES ist schon besser geworden.

12:21 PM  
Blogger senderin said...

Oh je. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich aussah, als man mr die Weisheitszähne rausoperiert hat. Als wäre ich in eine Schlägerei geraten. Alles gechwollen und grün und blau. Prima waren auch die Kommentare meiner Mitmenschen...
Wünsche dir gute Besserung!

1:10 PM  
Blogger saxana said...

Danke. Bin jetzt blau und gelb. Das wird schon.Vor allem braiche ich mich nicht zu schminken. Sehr praktisch.

5:09 PM  

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